Inhalt
Kodomo No Jikan (im japanischen Original: こどものじかん, "Kinderzeit") handelt von den Erlebnissen eines jungen japanischen Grundschullehrers und seiner "Problemschüler".
Nachdem er gerade erst sein Studium abgeschlossen hat, tritt Daisuke Aoki seinen ersten Job als Klassenlehrer einer dritten Klasse an einer Grundschule an. Als Neuling ist er sehr darum bemüht, ein guter Lehrer zu sein, und erfüllt seine Aufgaben mit viel Engagement und Hingabe, zeigt andererseits aber oft auch eine beträchtliche Naivität. Während er mit den meisten Schülern seiner Klasse weitgehend problemlos zurechtkommt, erweisen sich insbesondere drei Mädchen namens Rin, Kuro und Mimi als schwierig - wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen.
Die freche, frühreife und vorlaute Rin Kokonoe verliebt sich sogleich in ihren neuen Lehrer und ist fest entschlossen, ihn zu heiraten; weil sie ihn von nun an als ihren Verlobten betrachtet, macht sie ihm regelmäßig zweideutige (bzw. eindeutige) Anträge, die oft genug in sexuelle Belästigung ausarten. Diese stets vergeblichen Bemühungen Rins, ihn zu verführen, enden für Daisuke häufig in sehr peinlichen Situationen, zumal er nicht recht weiß, wie er mit ihren Annäherungsversuchen umgehen soll.
Die schmächtige und äußerlich wie eine Erstklässlerin wirkende, aber sehr energische und zur Gewalttätigkeit neigende Kuro Kagami hingegen zeigt lesbische Neigungen; sie liebt Rin über alles und sieht im neuen Lehrer nur einen lästigen Rivalen im Kampf um Rins Zuneigung. Dementsprechend nutzt sie jede Gelegenheit, Daisuke bloßzustellen, zu beschimpfen oder zu verprügeln. Auch gegen Kuros Aggressivität findet er kein geeignetes Gegenmittel und wird so immer wieder zum leichten Opfer, an dem sie ihre Frustrationen abreagieren kann.
Mimi Usa schließlich ist zwar eine sehr intelligente, fleißige und erfolgreiche Schülerin, gleichzeitig aber auch extrem schüchtern und ängstlich. Obwohl sie körperlich bereits deutlich weiter entwickelt ist als ihre Freundinnen, bleibt sie andererseits in ihrer emotionalen Entwicklung hinter ihnen zurück und verhält sich oft noch kindlich-naiv. Weil sie im Gegensatz zu Rin und Kuro nicht ständig Ärger und Aufregung verursacht, ist das Verhältnis zum neuen Klassenlehrer wesentlich entspannter, aber dafür fühlt sie sich manches Mal im Vergleich zu den lautstarken Störenfrieden nicht ausreichend von ihm beachtet.
Und so durchlebt der arme Daisuke einen reichlich anstrengenden beruflichen Alltag - immerhin kann er gegenüber den Kollegen stolz darauf verweisen, dass es in seiner Klasse niemanden gibt, der Opfer von Mobbing wäre - lediglich ihn selbst ausgenommen...
Englische Übersetzungen von
Kodomo No Jikan gibt es beispielsweise
hier oder
hier, und den Anime kann man sich z. B.
hier oder
hier ansehen.
Meine Meinung
Ein erwachsener (wenn auch manchmal etwas unreif wirkender) Mann als Opfer sexueller Belästigung - und ein zudringliches Grundschulkind als Täterin?
Kodomo No Jikan lebt zum großen Teil von diesem Rollentausch; während die Erwachsenen sich hier oftmals reichlich kindisch benehmen, sind die Kinder im Gegensatz dazu ihrem Alter häufig weit voraus. Besonders realistisch ist die ganze Geschichte damit nicht, denn in der Wirklichkeit verhalten sich Kinder nicht so; aber es bietet sich dadurch immerhin ein interessanter Ansatz für ein Spiel mit den üblichen Rollenklischees.
Es gibt zwar keine ausdrücklich pornographischen Szenen in
Kodomo No Jikan, aber die Pointen sind oft genug unterhalb der Gürtellinie angesiedelt; es ist letztlich nicht verwunderlich, dass der Anime in Japan nur in einer zensierten Version im Fernsehen gesendet werden durfte und der Manga in den USA wegen moralischer Bedenken gar nicht erst veröffentlicht werden konnte. Dennoch beschränkt sich die Geschichte nicht auf bloße Provokation, sondern entwickelt durchaus auch tiefer gehende Gedankengänge, die allerdings erst nach und nach deutlich werden. Das Verhalten der Charaktere wird psychologisch von ihren Kindheitserfahrungen motiviert dargestellt, auch wenn dabei die Begründung zunächst etwas klischeehaft wirken kann. Im Lauf der Handlung werden diese Klischees dann aber allmählich überwunden und die Darstellung der Personen gewinnt zunehmend an Tiefe. Sogar die zunächst einfach nur egoistische und nervtötende Rin zeigt dann ganz unerwartete Facetten, die sie richtiggehend liebenswert erscheinen lassen. So bietet
Kodomo No Jikan im Niveau eine außerordentlich große Bandbreite, von platten, anzüglichen Witzen bis hin zu tatsächlich ergreifenden Szenen. Wenn beispielsweise in einem Rückblick gezeigt wird, wie Rin als Fünfjährige am Bett ihrer sterbenden Mutter Unmengen von Papiervögeln faltet, weil sie hofft, damit der Kranken das Leben retten zu können, dann kann dieser Manga es mit jedem anderen an Tiefgang aufnehmen.
Insgesamt bleibt damit ein zwiespältiger Eindruck; ich kann
Kodomo No Jikan deshalb nur für reife und aufgeschlossene Leser empfehlen, die dazu bereit sind, sich vorurteilsfrei mit dieser Provokation auseinanderzusetzen - und die sich dabei auch nicht von den zeitweilig recht derben Scherzen (z. B. über Hämorrhoiden oder Darmparasiten) stören lassen.
Auch der Anime ist durchaus sehenswert und wird seiner Vorlage zumeist gerecht. Mich störten nur verschiedene Abweichungen von der Manga-Version, die ich unnötig fand. So erscheint Daisukes älterer Kollege Kenta Oyajima im Manga als lediger Mann, der schließlich eine Liebesbeziehung mit der zunächst übermäßig strengen und misanthropischen Lehrerin Sae Shirai eingeht. Im Anime aber wird Kenta von vornherein als Familienvater vorgestellt, so dass die Möglichkeit damit verbaut wird, diesen Teil der Geschichte noch mit einzubeziehen.
Und in der zwölften Episode wurde versucht, zum Abschluss der Staffel ein dramatisches Ende herbeizuführen, das in dieser Form im Manga nicht vorkommt. Dort taucht zwar auch ein Konflikt zwischen Rin sowie ihrem Cousin und Vormund Reiji auf, wenn auch wesentlich später. Aber in der Anime-Version wird Reiji überspitzt als Psychopath dargestellt, während die Auseinandersetzung im Manga auf völlig andere Weise (mit weniger Dramatik und mehr Humor) beigelegt wird, so dass sich letztlich dadurch die Beziehungen zwischen den beteiligten Personen weiterentwickeln können.